„Wir sind heute auf einen Verein getroffen, in dem die Welt noch in Ordnung ist.“ – Es ist keine plumpe Schmeichelei, mit der NFV-Vizepräsident August-Wilhelm Winsmann abschließend den zweiten Vereinsdialog des Jahres, dieses Mal beim VfL Münchehagen, bewertet, zu dem die Spitze des Fußballverbandes Anfang März in den Nienburger Südkreis gereist ist. Denn tatsächlich hinterlassen die Gastgeber um den 1. Vorsitzenden Rolf Brandes den Eindruck, dass in dem Mehrspartenverein mit rund 400 Mitgliedern ein Wohlfühlklima vorherrscht, das für Sorgen und Nöte kaum Spielraum lässt.
Viele Ortschaften in der Nachbarschaft haben etwas zu bieten, das in gängigen Reiseführern Erwähnung findet. Loccum hat sein 855 Jahre altes Kloster, in Wiedensahl befindet sich das Geburtshaus von Heimatdichter Wilhelm Busch, in Rehburg steht das Haus, das einst Schriftsteller Ernst Jünger bewohnte, und Bad Rehburg beherbergte als Kurort im 18. und 19. Jahrhundert den Adel des Königsreichs Hannover. Münchehagen aber hat seinen Dinopark, durch den die 2000-Einwohner-Gemeinde auch überregional bekannt ist. Besucher müssten vom Park mit den Saurierspuren nur einen Hügel überqueren, dann ständen sie auf dem Vereinsgelände der Rot-Weißen vom VfL. Die feiern 2021 ihr 100-jähriges Vereinsjubiläum, haben also eine langjährige Geschichte auf dem Buckel und sind anders als ein „Dino“ aus der Hansestadt Hamburg auch nicht „vom Aussterben“ bedroht.
Ihre sportliche Heimat stellen die VfLer den Besuchern aus der Verbandszentrale in Barsinghausen nicht ohne Stolz vor. Die VfLer, das sind der 1. Vorsitzende Rolf Brandes, sein Stellvertreter Manfred Allenstein, Geschäftsführer Karsten Schellig, Kassenwart Ralf Schulte, der Spartenleiter Fußball Hans-Hermann Nagel und Pressewart Wolfram Lindemann, Vater des Ex-Profis Björn Lindemann. Sie führen NFV-Präsident Günter Distelrath, Vize Winsmann, Direktor Steffen Heyerhorst, den Nienburger Kreisvorsitzenden Michael Brede und Geschäftsstellenmitarbeiter Christoph Beismann über die Anlage mit dem A-Platz „Am Schacht“, präsentieren das Vereinsheim und das neue Funktionsgebäude. „Eine Windhose hat 2005 unsere alte Verkaufshütte aus Holz komplett platt gemacht, aber mit Unterstützung des LandesSportBundes, der Gemeinde, den Firmen vor Ort und einem Bankkredit konnten wir das neue Gebäude errichten“, erinnert sich Brandes.
Auf dem 1989 entstandenen Sportplatz „Am Schacht“ bestreiten die VfLer überwiegend ihre Heimspiele. Zudem gibt es in der „Lange Straße“ den alten Platz, der heute überwiegend für Trainingseinheiten genutzt wird. Für den VfL gehen zwei Herrenmannschaften und eine Altherrenmannschaft (Spielgemeinschaft mit dem TSV Loccum) auf Torejagd. Außerdem gehört der Verein der Jugendspielgemeinschaft Rehburg-Loccum, bestehend aus dem RSV Rehburg, TSV Loccum, TV Eiche Winzlar und dem VfL, an. Hier jagen ca. 220 Kinder und Jugendliche in elf Mannschaften dem Ball nach. Neben dem Fußball gehören Rehasport, Volleyball und Turnen zum Angebot des VfL.
Nach der Besichtigung der Anlagen folgt im von Klaus und Heike Wilkening betriebenen Vereinslokal „Deutsche Eiche“ der Dialog mit den NFV-Vertretern. Dessen Sinn erläutert zunächst Günter Distelrath: „Er bietet uns die gute Gelegenheit reinzuhorchen, wo bei den Vereinen die Probleme liegen und uns aufzuzeigen, wo wir sie entlasten können. Sei es in bürokratischen, aber auch finanziellen Angelegenheiten. Es lohnt sich darüber zu reden.“ Die Stärkung des Ehrenamtes ist ein Hauptanliegen des Präsidenten. „Mich persönlich bewegt das Ehrenamt. Wir müssen sehen, wie wir es im Zeitalter der Digitalisierung schaffen, junge Leute zu gewinnen. Ihre längerfristige Bindung und eine angemessene Anerkennung stellen dabei große Herausforderungen dar“, so der Präsident, der die Digitalisierung als hilfreiches Instrument für die Entlastung der ehrenamtlich Tätigen betrachtet. Die Befürchtung von Manfred Allenstein, dass bei zunehmender Digitalisierung „die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt“, kann Distelrath verstehen. „Ja, es ist wichtig, sich in die Augen zu schauen und miteinander zu reden. Reden schafft Verständnis und öffnet Horizonte, und die Kommunikation ist ja nicht von ungefähr ein wichtiges Thema des DFB-Masterplans.“
Nicht nachvollziehen kann Distelrath, „dass der Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL immer nur kritisch gesehen wird und viele positive Aspekte einfach negiert werden. De facto bleibt immer ein namhafter Betrag übrig. Der NFV bekommt davon ein beträchtliches Sümmchen. Das hat auch seine Berechtigung, denn ohne Basisarbeit würde sich in der Spitze nichts bewegen.“
Über Bewegung nach langer Winterpause freuen sich die VfLer, ist ihnen doch tags zuvor in der Kreisliga Nienburg zum Rückrundenauftakt ein 2:1-Erfolg gegen den TuS Steyerberg gelungen. Noch liegen 14 Spiele vor ihnen, die bis zum 3. Juni, also bis zum Saisonende in zwölf Wochen, zu bewältigen sind. Andere Mannschaften haben inklusive Nachholspielen ein noch kompakteres Programm vor der Brust. VfL-Vorsitzender Brandes fragt sich deshalb: „Warum hört man mit den Punktspielen fast immer Ende November auf, warum wird nicht noch zwei Wochen länger gespielt?“ „Auwi“ Winsmann erinnert daran, dass die Länge der Winterpause eine durch die Vereine demokratisch bestimmte Entscheidung sei. „Ich höre auch oft, warum es im Sommer nicht mehr Wochentagsspiele gibt“, sieht der Vizepräsident die Vielfalt der Meinungen zum gerade in dieser Saison besonders sensiblen Thema. Für eine angemessene Länge der Winterpause spricht laut Steffen Heyerhorst auch, dass die Plätze eine ausreichende Zeit für die Regenerationsphase benötigen. Für Michael Brede steht fest: „Unser Hauptproblem sind die Schulferien im Sommer, die uns die Länge der spielfreien Zeit diktieren.“
Großes Lob erntet die Passstelle des NFV. Spartenleiter Hermann Nagel: „Das Passwesen ist sehr vereinfacht worden. Es ist fantastisch, wie schnell die Freigaben erfolgen.“ In diesem Zusammenhang berichtet NFV-Direktor Heyerhorst, dass bereits 90 Prozent der Antragstellungen online erfolgen und auch der Spielbericht online die Arbeit der Vereine sehr erleichtere.
Kreisvorsitzender Brede wird es gern gehört haben. Auch mit der Zusammenarbeit mit dem Kreis-Fußballverband sind die Münchehäger sehr zu frieden. „In Fragen zum Spielbetrieb haben wir in Hartmut Siepert (Vorsitzender des Kreisspielausschusses Nienburg; d. Red.) einen äußerst kompetenten Ansprechpartner“, so Nagel.
Rolf Brandes zweifelt am Wert der Imagekampagne Amateurfußball des DFB. „Sie soll Leute inspirieren, die nichts mit Fußball zu tun haben. Das gelingt aber wohl eher nicht.“ Umso besser schneidet beim Klubchef „fussball.de“, das Internetportal für den Amateurfußball, ab. „Das Angebot wird intensiv genutzt. Wir haben unseren Liveticker und sind dank Wolfram Lindemann ohnehin auf allen Kommunikationswegen gut aufgestellt.“ Der Pressewart ergänzt stolz: „Wir haben sogar eine eigene App.“
Ein Problem, räumt Brandes ein, stellt für den VfL die Gewinnung von qualifizierten Trainern dar. „Daran krankt es im Jugendfußball. Wir gewinnen höchstens mal einen Vater, der sein Kind in einer Mannschaft dabei hat. Und natürlich besitzen längst nicht alle Trainer eine Lizenz.“ „Auwi“ Winsmann rät: „Wer in Eurem Verein eine hohe Wertschätzung genießt, der sollte um Verstärkung für das Ehrenamt werben.“
Haupteinnahmequelle des VfL sind die Mitgliedseinnahmen, die nach Alter gestaffelt sind. Für Kinder bis zwölf Jahren ist ein Monatsbeitrag von 3 Euro zu entrichten, für Mitglieder bis 18 Jahre werden 3,50 Euro fällig und der Beitrag für Erwachsene wurde erst kürzlich erstmals nach zwölf Jahren auf 8,25 Euro angehoben. Bleiben die Senioren ab 65 Jahren, die monatlich 5 Euro zahlen. Da der Kredit für das neue Funktionsgebäude abbezahlt ist, kann Kassenwart Ralf Schulte feststellen: „Mit diesen Einnahmen haben wir unser Auskommen.“ Diese Aussage ist auch möglich, weil die Platzpflege in Eigenleistung erfolgt und der Rasenmäher der Stadt Rehburg-Loccum genutzt werden kann. Dafür ist eine überschaubare Reparaturpauschale an die Stadt zu entrichten.
Die örtliche Grundschule liegt keinen Steinwurf weit entfernt vom VfL-Vereinsheim, doch eine Zusammenarbeit gibt es bisher nicht. Hans-Hermann Nagel bedauert das. „Eine Kooperation wäre sehr erstrebenswert, weil uns der Nachwuchs fehlt“, weiß der Fußball-Spartenleiter um den Synergieeffekt, den der Doppelpass von Schule und Verein für die Rot-Weißen bedeuten könnte. „Spieler von anderen Vereinen zu holen, ist oft mit einer hohen Ausbildungsentschädigung verbunden“, möchte Nagel unnötige Kosten umgehen, indem er Kinder aus der direkten Nachbarschaft für den Verein rekrutiert. „Ihr müsst bereits im Kindergarten vor Ort für Euch werben und mit der Bindung des Nachwuchses an Euren Verein so früh möglich beginnen“, rät „Auwi“ Winsmann, noch einen Schritt weiter als bis zur benachbarten Schule zu gehen. Steffen Heyerhorst bietet an, eine dezentrale Junior-Coach-Ausbildung zu vermitteln, mit deren Hilfe der Schulterschluss von Schule und Verein vollzogen werden könnte.
„Das Ziel muss es doch sein, dass die Kinder im Heimatdorf bleiben. Die Möglichkeit einer Kooperation ist ein wichtiger Anstoß. Wir nehmen die Hilfe des NFV deshalb gern an“, bekennt Rolf Brandes und bedankt sich bei der NFV-Delegation: „Es ist gut, die Vereine zu Wort kommen zulassen. Das war heute ein total offenes Gespräch, so wie wir es im Fußball halt kennen.“
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